«Oh, wie ich den Sommer vermisse», sagte die eine Ente zur anderen.

«Ja, ich auch», meinte ein Rotkehlchen, das gerade zugehört hatte, und etwas verloren auf dem kahlen Ast wirkte.

«Die Sonne, die mein Federkleid wärmt, die langen, warmen, goldenen Tage…», schwärmt die eine Ente weiter.

«Ich schliesse mich Ihrer Sichtweise an», sagte eine Eidechse etwas altklug. Man sah nur knapp ihre Nasenspitze aus einer Ritze lugen. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob die Spätherbstsonne stark genug war, damit sie sich herauswagen kann.

«Ich nicht», sagte die andere Ente, «nun haben wir endlich die Uferböschungen wieder für uns, und werden nicht immer durch Menschen gestört, die unsere Plätze besetzen».

«Ich liebe die Stille des Winters», sinnierte die Eule, «dann kann ich besser nachdenken».

«Aber das Licht des Sommers fehlt mir…», insistierte die eine Ente.

«Ganz Ihrer Meinung», meinte die Eidechse.

«Ich mag die Dunkelheit», meldete sich nun die piepsende Stimme des Siebenschläfers, «so kuschelig warm in unseren Höhlen… und dann werden Geschichten erzählt, bis wir alle einschlafen… herrlich… ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.»

«Der Winter sollte abgeschafft werden!», tönte es nun aus der Ritze von der Eidechse.

«Genau, es sollte immer nur Sommer sein», meinte die eine Ente, und plusterte ihr Gefieder auf.

«Für mich könnte es immer Frühling sein… ewiger Frühling, oh, wie wäre das schön», schwärmte das Rotkehlchen, «die Natur, die erwacht, die zarten Blättchen an den Buchen, das grüne Gras, die ersten Frühlingsblumen, das laue Lüftchen, und alle sind fröhlich.»

«Ich bin für den Herbst, da gibt es so viele Beeren und Eicheln… ein wahres Fest», meldete sich nun auch das Eichhörnchen.

«Für mich könnte es immer Spätsommer sein, das milde Licht, die wunderbaren Farben der Natur, Blumen überall, eine wahre Pracht…», philosophierte die Hummel.

«Ich bin dagegen, den Winter abzuschaffen», piepste der Siebenschläfer empört, «ich liebe meinen Winterschlaf».

«Was habe ich da gehört? Der Winter soll abgeschafft werden? Unerhört! Das ist die schönste Zeit des Jahres,» tönte es aus einem Maulwurfshügel, «im Winter hat man endlich seine Ruhe und kann über das Leben nachdenken.»

«Mir alles egal, Hauptsache es hat genug Schlamm», krächzte die Kröte.

«Ich mag alle Jahreszeiten», sagte die Amsel versöhnlich, die es allen recht machen wollte. Und sie ergänzte: «Jede Jahreszeit hat ihre Vorzüge.» Sie hatte diesen Satz in einem Garten aufgeschnappt und fand den Spruch sehr weise.

«Was ist eigentlich deine Meinung?», fragte die eine Ente den Graureiher, der ruhig auf einem Bein im seichten Wasser stand.

«Ja, was meinst du?», fragten nun die anderen, ausser der Eule, sie war etwas pikiert, weil nicht sie gefragt wurde.

Der Graureiher öffnete ein Auge und bemerkte: «Es ist eine Frage der Perspektive.» Dann schloss er sein Auge wieder und stand wieder ruhig da.

«Pah», sagte die Eule, «wenn ihr mich gefragt hättet, dann hätte ich euch eine bessere Antwort gegeben.» und sie breitete ihre Schwingen aus und flog davon.

Die anderen Tiere schauten ihr verdutzt nach.

 

Was glaubst du, welche Antwort hätte die Eule gegeben?

Falls du es nicht weißt, dann frag sie. Wenn man sie höflich fragt, gibt sie auch eine Antwort…

Da fällt mir ein… ich glaube, ich hörte sie sagen, dass du sie mit ihrer Antwort auf dieser Webseite findest… Als Eule liebt sie es, sich zu verstecken, doch „Wer sucht, der findet.“ …

Geschichte: Alexandra Waeber, Dezember 2020
Bild Rotkehlchen: Désirée Guhl, 2017
Bild Eule: Alexandra Waeber, 2020