«Ich möchte anders sein», sagte die eine weisse Socke zur andern.
«Ach du mit deinen verrückten Ideen», erwiderte die andere Socke pikiert.

«Ich habe mir das schon immer gewünscht, schon als ich klein war…», sagte die eine Socke träumerisch.

«Wir sind nun mal weisse Socken, und damit Basta, da gibt es nichts zu ändern», kam die Antwort der anderen Socke, die sich immer unwohl fühlte, wenn ihre Schwester vom Anderssein sprach.
«Einmal im Leben möchte ich einfach etwas anderes sein, als eine gewöhnliche weisse Socke», träumte die eine Socke weiter, ungeachtet der Worte ihrer Schwester.

«Achte gut darauf, was du dir wünscht, es könnte schneller gehen als du denkst», hörte man die Stimme eines Raben, der auf dem Ast oberhalb der Wäscheleine sass. Und Raben sind sehr weise Geschöpfe.

In der nächsten Wäsche versteckte sich die eine Socke unter den roten Handtüchern…

«Oh, Mist», sagte die Frau laut, als sie die nun rosa gewordene Socke entdeckte.
«Was mache ich nun damit? Eine einzelne rosa Socke…»

«Oh, ich bin anders, ich bin rosa, wie schön!», freute sich die eine Socke.

«…und eingegangen ist sie auch...», ärgerte sich die Frau.

«Mami, die kann ich gut gebrauchen für mein Handy», freute sich das Mädchen, das der Mutter zugeschaut hatte.
«…und ich werde sie noch etwas verzieren…»

«Meinetwegen, aber was mache ich nun mit der einzelnen weissen Socke?» fragte sich die Mutter.
«Ich hebe sie auf… man weiss ja nie..
Und sie legte die weisse Socke in die Kommode.

«Pah...», sagte die weisse Socke, einerseits entrüstet, aber doch erleichtert, dass sie nicht weggeworfen wurde… und auch ein bisschen neidisch auf ihre rosa Schwester.

«Oh, wie ich mich freue, ich bin anders», sagte die rosa Socke fröhlich.

Geschichte: Alexandra Waeber, Weihnachten 2020